Die große Verunsicherung, die sich während dieser Tage und Wochen durch das Land und die ganze Welt zieht, hat auch die Fundraising-Branche erreicht. Viele Organisationen haben ihre Ostermailings vorbereitet und stehen jetzt vor der Frage: Dürfen wir mitten in dieser globalen Krise die Menschen mit einem Spendenaufruf behelligen? Meine Antwort: Aber selbstverständlich! Es gab selten einen besseren Zeitpunkt.
Der irrwitzige Kampf ums Klopapier verstellt den Blick für das, was gerade so Wunderbares in Deutschland passiert: #Zusammenhalt statt Spaltung, Hate Speech und Schuldzuweisungen an andere. Selbst die Politik agiert in großem Einverständnis und ohne Geschrei. Deutschland zeigt: Wenn es drauf ankommt, stehen wir füreinander ein. Die Menschen bleiben zu Hause, schränken sich ein, nehmen finanzielle Einbußen in Kauf, um ihre Mitmenschen zu schützen, ältere Menschen und Kranke. Nächstenliebe ist plötzlich kein gepredigtes Wort der Kirchen mehr, es wird gelebt.
Anfang März überwog noch die Skepsis, ob die Restriktionen wirklich nötig seien und viele fragten sich, wie sie selbst um die Einschränkungen „drumherum“ kommen können. Doch spätestens seit der Kanzlerinnenansprache haben die Menschen verstanden: es geht um mehr. Trotz aller persönlichen Betroffenheit, fiel der Blick immer stärker auf die, die es in dieser Krise noch schlechter getroffen hat. Ich stelle mit großer Freude in persönlichen Gesprächen fest, dass diese Erkenntnis bei den meisten überwiegt. Daraus erwuchsen wunderbare Initiativen wie #nachbarschaftshilfe, an der sich Menschen beteiligen, die kein Freiwilligendienst bisher erreichen konnte. Caterer, denen das gesamte Geschäft weggebrochen ist, kochen kostenlos für alte Menschen, die nicht einkaufen können. Blutspendendienste freuen sich nach anfänglichen Mangel mittlerweile über regen Zulauf.
Die Menschen sind zurückgeworfen auf sich selbst und existenzielle Fragen des (Zusammen-)Lebens.
Das gibt Raum, um sich um andere zu sorgen. Der Wunsch zu helfen ist groß.
Wer nicht für andere einkaufen kann, nicht an der Kasse eines Supermarktes oder hinterm Steuer eines Busses sitzt, keine Pflegekraft ist, wem es nicht ausreicht, für die vielen Helfer abends am Fenster zu klatschen oder #herzleuchten aufzustellen, der kann dennoch etwas tun: Spenden! Spenden sind ein Ventil für den Wunsch des Helfens. Und jede Form von Hilfe ist zugleich ein aktiver Kampf gegen das Virus. Covid-19 rollt auf uns zu und wir können nur zu Hause bleiben und abwarten. Spenden mindern das Gefühl der Ohnmacht.
Ich habe bereits Spendenmailings zum Thema Corona betreut, die sehr erfolgreich laufen. Die Spenderinnen und Spender sind dankbar auf diese Weise für andere einstehen zu können und Zusammenhalt zu demonstrieren. Eine Spenderin kommentierte ihre Spende für kranke Kinder in Corona-Zeiten, dass sie darunter leide, ihre Enkel nicht sehen zu können. Jetzt seien Stärke und Zusammenhalt gefordert. Wer erlebt, welche Auswirkungen Corona auf die eigene Familie hat, kann sich schnell in Familien hineinversetzen, die um ihre bereits erkrankten Kinder bangen.
Ist jedes Spendenthema geeignet?
Sicher gibt es derzeit Spendenthemen, die einen direkteren Bezug zu Corona haben als andere. Wobei letztlich jede Organisation in irgendeiner Weise betroffen ist. Aber auch Themen, die weiter weg sind, lohnen sich. Denn die Menschen sind im höchsten Maße sensibilisiert fürs Helfen. Psychologen nennen das Salienz, was man mit „Auffälligkeit“ umschreiben könnte. Salienten Reizen stechen aus ihrer Umgebung hervor, sodass wir ihnen unsere Aufmerksamkeit widmen. Ich bin überzeugt, dass Spendenbriefen gerade mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als in „normalen“ Zeiten. Und wie in jeder Katastrophe gibt es Menschen, die auch an diejenigen denken, die derzeit unter dem Radar laufen. Andere stellen fest, dass die Not der anderen die eigene Situation relativiert.
Für jeden Kontakt gilt: Holen Sie die Menschen in ihrer derzeitigen Verfassung ab. Die ist von Corona bestimmt. Das Virus nicht zu erwähnen, baut eine Distanz zwischen Ihnen und den Spendern auf, wo Nähe und Verbundenheit wichtig sind.
Was ist mit denen, die derzeit von der Wirtschaftskrise besonders betroffen sind? Die wollen wir nicht um Spenden bitten.
Ja, diese Menschen gibt es. Es sind viele und wir wissen nicht, wer von ihnen trotz des staatlichen Rettungspakets demnächst selbst auf die Hilfe von NGOs angewiesen ist. Die werden jetzt nicht spenden. Andere dafür mehr. Denn: Noch mehr Menschen in Deutschland sind finanziell gar nicht betroffen. Renten werden weiter ausbezahlt, Beamte beziehen ihren Sold, Angestellte gehen ihren Jobs aus dem Homeoffice nach. Manche haben gar mehr zu tun. Andere sind betroffen und wollen sich dennoch engagieren.
So wie Sie auch sonst nicht wissen, in welcher Lebenssituation Sie Ihre Spenderinnen und Spender erreichen, so wissen Sie es auch jetzt nicht. Das ist kein Grund komplett auf ein Mailing zu verzichten. Da die Wahrscheinlichkeit aber derzeit höher ist als sonst, schadet es nicht, diese Gruppe mitzudenken und ggf. kommunikativ sensibel mit einzubinden. Wie das am besten gelingt, hängt aber von Ihrer Organisation und Ihrer sonstigen Kommunikation ab.
Sollen wir einen Zahlschein beilegen und die Älteren, die besonders gefährdet sind, damit zur Bank schicken?
Ja und Nein. Ja, ich würde einen Zahlschein weiterhin beilegen. Der Zahlschein ist mehr als ein Mittel der Überweisung. Er hat einen hohen Aufforderungscharakter und sagt für sich genommen, was getan werden soll: Spenden. Und nein, Sie sollten Ihre Spender nicht zur Bank schicken. Verweisen Sie explizit auf alternative Spendenmöglichkeiten: Online oder per Telefon. Bitten Sie darum, diese zu nutzen. Zeigen Sie, dass Sie sich um Ihre Spenderinnen und Spender sorgen und niemanden wegen einer Spende in Gefahr bringen wollen.
Überlassen Sie die Entscheidung, wie die Spende erfolgt, letztlich den Spendern. Es gibt auch jüngere Menschen, die lieber einen Zahlschein nutzen. Ebenso gibt es ältere Menschen, die trotz allem noch das Haus verlassen möchten – ob wir das gut finden oder nicht. Selbstbestimmung ist nach wie vor ein hohes kulturelles Gut. Auch die Politik hat sich bisher schwer getan, in Deutschland eine echte Ausgangssperre einzuführen.
Wie finden wir die richtigen Worte?
Fingerspitzengefühl für den richtigen Ton ist wichtig. Der sollte vor allem menschlich und alltagsnah sein. „Phrasendrescherei“ und „große Herausforderungen-Sprech“ sind wenig empathisch. Greifen Sie die Sorgen und Nöten, aber auch Hoffnungen der Menschen in deren Worten auf. Seien Sie positiv und optimistisch in der Wortwahl statt weiter Angst zu schüren. Das gilt sowohl in Bezug auf das Thema Corona als auch auf Ihre Spendenprojekte. Beschreiben Sie Problematiken, aber vermeiden Sie Drama. Davon gibt es bereits genug. Seien Sie zugleich entschlossen. Ruhe und Besonnenheit tun gut, Zögern und Zaudern tragen dagegen zur weiteren Verunsicherung bei.
Wie lange dieser Zusammenhalt die Gesellschaft noch prägen wird, weiß keiner zu sagen. Wird er auch nach der Krise noch Bestand haben? Werden wir zu einer näher zusammengerückten Gesellschaft, die sich den Blick für die Schwächeren und Unsichtbaren bewahrt? Kehren wir zurück zum „Business as usual“? Oder wird es gar umschlagen, weil die Menschen zu lange zu Hause bleiben müssen? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, wie es jetzt ist. Daher ist das der beste Zeitpunkt, den Kontakt mit den Spenderinnen und Spendern zu suchen und zu stärken!
Bleiben Sie zu Hause und vor allem gesund!
Wenn Sie spezifische Fragen zu Ihrer Corona-Kommunikation haben, melden Sie sich gerne.
Lesen Sie hier Teil 2 des Corona-Specials: Es ist die Zeit für Spenderbindung