Zwei Monate ist es nun her, dass die COVID-19-Pandemie auch in Deutschland zu spürbaren Einschränkungen geführt hat. Spätestens ab da stellten sich Fundraiser*innen die Frage: Können wir inmitten einer globalen Krise um Spenden bitten?
Sie haben es getan und nun ist Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Wie ist es gelaufen, was haben wir gelernt – und vor allem: wie geht es weiter?
Aufatmen in den meisten Organisationen: Trotz anfänglicher Skepsis liefen die Spendenmailings während der bisherigen Corona-Zeit gut. Bei vielen sogar ausgesprochen gut. Und scheinbar war es unabhängig vom Spendenthema oder dem Corona-Bezug. Von der großen Solidaritätswelle profitierten fast alle Organisationen und verzeichneten Spendenzuwächsen. Viele Menschen, zum passiven Zuhausebleiben verdammt, waren dankbar, mit Spenden aktiv etwas tun zu können.
Die letzten zwei Monate haben aber auch Optimierungspotenzial offenbart.
Wie alle wurden auch die Fundraisingabteilungen kalt erwischt. Organisationen aus der Katastrophenhilfe sind es gewohnt schnell auf äußere Ereignisse zu reagieren - wenn auch ohne Homeoffice. Alle anderen mussten sich erstmal zurechtfinden. In den ersten zwei Wochen war die Kommunikation entsprechend bunt gemischt. Vor allem weil die Ostermailings zum Teil schon produziert waren. Das war alles nachvollziehbar. Doch selbst Ende April erreichten mich noch Spendenbriefe, die „Coronafrei“ waren. Bewusst, fragte ich mich? Aber dann entdeckte ich einen kleinen Zettel, der mir „in dieser schweren Zeit viel Gesundheit“ wünschte. Corona war da schon seit zwei Monaten Thema. Für den „Haupttext“ war das wohl nicht genug Vorlauf gewesen. In einer Zeit, in der wir Minuten nach einem Ereignis, bereits online darüber informiert werden, ist das eine viel zu lange Reaktionszeit. Das mag die Ü70-Spenderschaft gelassen hinnehmen. Alle anderen reiben sich verwundert die Augen und fragen sich: Agieren die auch so langsam in den Projekten? Sind die immer auf der Höhe der Zeit?
Flexibilität war an vielen Stellen gefragt. Während manche Organisationen, die bisher nicht mal einen Newsletter hatten, auf die Schnelle ein Youtube-Angebot für ihre Spender*innen aus dem Boden gestampft haben, blieben andere in Schockstarre und wartetet ab. Dabei war es (und ist es noch) eine wahrlich wunderbare Zeit für Experimente. Und eine extrem gute Zeit, um Menschen (auch unter 75 Jahren) zu Hause zu erreichen. Menschen, die sich über jede Abwechslung freuen und sich neugierig Neuem zuwenden. Wenn noch nicht getan: Experimentieren Sie rum und bereiten Sie sich vor. Eventuell kommt im Herbst – kurz vorm Weihnachtsmailing – der nächste Lockdown auf uns zu.
Das Besondere an der Corona-Krise ist der „Betroffenen-Dreiklang“.
Corona betrifft die Projekte, die Fundraiser*innen selbst und die Spender*innen. Dies kommunikativ unter einen Hut zu bringen, ist selten richtig gut gelungen. Dabei waren es – wie so oft – die Spender*innen, die als erstes hinten runter fielen. Schade, denn es war selten einfacher, die Menschen in ihrer derzeitigen Lebenswirklichkeit abzuholen. Insbesondere zu Beginn der Krise war die Stimmung im Land gut greifbar – aller Einzelfälle zum Trotz. Und selten war der Moment besser, den Spender*innen zu zeigen: Wir sind für euch da!
Aber auch hier war die Bandbreite groß: Organisationen, die ein gutes Gespür für die Lebenswelt der Spender*innen zeigten. Die, die hauptsächlich von sich und ihrem Corona-Leid gesprochen haben (darunter einige Organisationen, an die ich mich kaum erinnern konnte, so lange hatte ich nichts von ihnen gehört. Nun war ich ihnen wohl wieder eingefallen – oder besser: meine Adresse). Und sogar die, die den Spender*innen unterschwellig Vorwürfe machten, weil sich in der Krise nicht alle vorbildlich verhalten (aus meiner Sicht ganz gefährliches Terrain!).
Corona ist noch nicht vorbei. Bleiben Sie wachsam in Ihrer Kommunikation. Und vor allem: Bleiben Sie nah an Ihrer Spenderschaft.
Nicht ausruhen, sondern Zeit nutzen.
Die meisten Spenderinnen und Spender haben über Unstimmigkeiten hinweggesehen. Das Verständnis für die besonderen Umstände war groß, der Wille zu helfen noch größer. Ich gehe davon aus, dass es bei den Privatspenden weiterhin ein gutes Spendenjahr werden wird. Ähnlich wie 2015 (Flüchtlingskrise) wird auch die Corona-Solidaritätswelle noch etwas anhalten. Damals wie heute war die Chance groß, neue (jüngere) Spenderschichten zu erreichen und alternative Spendenkanäle zu testen bzw. zu optimieren. Aber: Damals wie heute ist die Gefahr genauso groß, sie wieder zu verlieren, wenn es in die gewohnte Kommunikationsschiene zurückgeht. Mit dem Abflauen des akuten Krisenmodus kehrt bei den Spender*innen auch das Bewusstsein für relevante Kommunikation wieder zurück. Die Menschen werden wieder genauer hinsehen. Sich auf den ROI-Lorbeeren auszuruhen, wäre aus Organisationssicht fatal. Denn jede Organisation der Katastrophenhilfe weiß: Nach der Welle der Solidarität kommt der große Kampf um die Folgespende. Spenderbindung wird nach der Krise noch mehr zur Königsdisziplin. (>> Haben Sie schon eine explizite Corona-Bindungs-Strategie???)
Wir alle haben auf drastische Art und Weise erlebt, wie stark man mit Gewohnheiten brechen kann. Im Fundraising wird seit Jahren davon gesprochen, dass sich etwas ändern muss, aber die Strukturen schienen nicht bereit dafür. Die viel beschworene neue Normalität sollte für das Fundraising zu einer dauerhaften Normalität werden. Nutzen Sie die Zeit und die gewonnenen Spenden auch dafür, um die Weichen für die Fundraisingzukunft zu setzen. Und die liegt bei den Babyboomern und bei der Generation X. Dass die durchaus ein soziales Bewusstsein haben, haben sie gerade mehr als bewiesen. Lernen Sie sie näher kennen, testen Sie neue Strategien. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Halten Sie weiterhin Abstand und bleiben Sie gesund!
Wenn Sie spezifische Fragen zu Ihrer Corona-Kommunikation haben, melden Sie sich gerne.
Sie möchten mehr über Babyboomer erfahren? Sie haben hier und hier die Möglichkeit. Oder rufen Sie mich an! Gemeinsam überlegen wir die nächsten Schritte.