Die Spender auf eine Art anzusprechen, die die Wahrscheinlichkeit einer Spende erhöht, macht ein Mailing ökonomischer. Das ist gut, denn so bleibt mehr für die Projekte übrig, und das ist auch im Sinne der Spender. Ist dafür aber jedes – auch noch so kleine – Mittel recht?
Als Psychologin kenne ich die Mechanismen, die Verhaltensweisen beeinflussen. Und gerade deshalb muss ich mich immer wieder kritisch fragen: Wo hört der „Push“ in die gewünschte Richtung auf und wann wird der Spender zu stark gesteuert?
Neulich beim Fundraising Forum: Überrascht beobachte ich wie die anwesenden FundraiserInnen mit sichtbaren Interesse den Ausführungen zu Themen wie „Geomarketing“ oder „Identifizierung von Großspendern durch Datenanalyse“ folgen. Nur eine zaghafte Nachfrage zur Beachtung des Datenschutzes bei Spenderbefragungen erinnert an geltende ethische Grundsätze. Ich stelle mir dabei vor, der Saal wäre mit Marketingspezialisten großer Markenhersteller besetzt. „Gläserne Kunde“, „Datenkraken“, „teure Analysen für manipulative Werbung“ wären wohl die Kommentare von außen. Doch hier und jetzt sind alle eifrig dabei.
Um es klar zu sagen: Ich freue mich, wenn diese Themen und die altbewährten Marketing-Handwerkszeuge beim Fundraising Einzug halten. Fundraising muss weiter professionalisiert und dadurch effizienter werden. Zudem finde ich weder Produkt- noch Spendenwerbung verwerflich. Im Gegenteil: Ich sehe beides sogar im Interesse der Kunden oder Spender. Je mehr über sie bekannt ist, desto besser kann auf ihre Bedürfnisse eingegangen werden. Und desto weniger werden Menschen, die keinerlei Hang zum Produkt oder der Organisation haben, damit behelligt. So profitieren beide Seiten davon.
Dies funktioniert jedoch nur, wenn der Respekt vor dem MENSCHEN, der hinter dem Begriff Kunde/Spender steckt, nicht verloren geht und die eigenen Bedürfnisse nicht über die der Kunden/Spender gestellt werden. Genau dies wird leider zu oft von Wirtschaftsunternehmen außer Acht gelassen. In der konkreten Werbeansprache reicht das vom berühmten Erdbeerjoghurt ohne Erdbeeren bis hin zur „Süßigkeit mit echten Vitaminen“. Nicht das Marketinginstrument selbst ist „böse“, sondern der gewissenlose Umgang damit.
Gefahr ist also nur dann in Verzug, wenn das erhobene Wissen über die Kunden/Spender missbraucht wird. Wenn eine Ansprache so manipulativ wird, dass ihr „blind“ gefolgt wird. Für das Fundraising gibt es dezidierte Richtlinien, bspw. vom DZI. Diese beschäftigen sich jedoch hauptsächlich damit, dass die Ansprache „wahrheitsgemäß und sachlich“ sein und die Würde des Notleidenden gewahrt werden soll. Auch soll kein überstarkes Mitleid und Druck beim Spender ausgelöst werden. Doch Beeinflussung beginnt schon viel subtiler. Farben, Wortwahl, Layout, Ort und Zeitpunkt der Ansprache – das alles kann Spendenverhalten fördern oder beeinträchtigen.
Liegt da schon die Grenze der ethischen Spenderansprache?
Das psychologische Repertoire der Beeinflussungsmöglichkeiten ist schier unerschöpflich. Im Nachgang zu diesem Artikel gebe ich Ihnen ein paar wenige Beispiele. Einiges davon kann ich moralisch vertreten, manches überschreitet meiner Meinung nach die Grenzen eines respektvollen Miteinanders. Ich kann in Beratungen aus psychologischer Sicht erklären, wie Menschen empfinden und daher Maßnahmen (nicht) empfehlen. Letztlich muss aber jede Organisation die Grenzen für sich selbst im Detail klären. Das steht in Ihrer Verantwortung.
Und genau dazu rufe ich Sie auf: Machen Sie sich bewusst Gedanken, was für Sie (und Ihre Spender!) in Ordnung ist und was nicht. Legen Sie diese Richtlinien für alle Mitarbeiter und externen Dienstleister schriftlich fest. So können Sie dies im Zweifel auch vor Ihren Spendern rechtfertigen.
Nutzen Sie im Anschluss mit Freuden alle Marketing-Werkzeuge und psychologischen Kniffe, die Ihrer moralischen Bewertung standgehalten haben. Dieses wird Ihnen die Arbeit erleichtern, Ressourcen sparen und Ihren Spendern zu passgenauem Geben verhelfen.
GOLDWIND wünscht Ihnen und Ihrer Organisation ein professionelles und respektvolles Fundraising.