Gabriele gehört der Generation der Babyboomer an und steht damit ganz oben auf der Spenderwunschliste vieler NGOs. Die Literaturwissenschaftlerin arbeitet für verschiedene Theaterproduktionen und ist freiberufliche Dozentin. Nebenbei engagiert sie sich ehrenamtlich in der Kirchengemeinde. Spenden sind für sie eine Selbstverständlichkeit. Sie bringt also alle Voraussetzung mit. GOLDWIND erklärt sie, warum sie dennoch keinen Adresskauf wert wäre...
Liebe Gabriele, spenden Sie?
Ja, angefangen vom Klingelbeutel bis hin zu größeren Spenden, vor allem im Kulturbereich. Z.B. für die Kirchenmusik, in Gemeinden, in denen ich regelmäßig bin und Konzerte höre. Ich versuche auch immer Kleingeld in der Tasche zu haben, um dem Bettler am Wegesrand zu geben. Es gibt viele, denen ich immer wieder begegne. Da gebe ich gerne mal eine volle Einkaufstüte, weil ich das sinnvoller finde. Was ich nicht mache, ist einfach mal ans Rote Kreuz oder andere zu spenden. Dann spende ich eher Kulturgesellschaften, denen ich selbst angehöre. Wenn die etwas Spezielles brauchen, überweise ich zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag das, was mir möglich ist.
Warum würden Sie dem Roten Kreuz nichts spenden?
Ich lehne das Rote Kreuz nicht ab – im Gegenteil. Aber ich habe keine Beziehung zu denen. Ich spende nicht wahllos auf Briefe, sondern fokussiere mich auf Dinge, wo ich die Hintergründe und die Leute besser kenne. Und da ich eine Menge Projekte kenne, bei denen ich beteiligt bin oder zu denen ich einen unmittelbaren Zugang habe, spende ich lieber da. Mir begegnet in meinem Lebensbereich, innerhalb meiner Kontakte, meines Arbeitsbereiches und der Straße, über die ich gehe, schon so viel, wo ich was tun kann. Da fände ich es nicht sinnvoll, an dem allen vorbeizugehen und stattdessen ans Rote Kreuz zu spenden.
Der persönliche Bezug ist Ihnen wichtig. Sie würden also für „fremde“ Organisationen nicht spenden?
Nein, das würde ich nicht grundsätzlich ausschließen. Es kommt ja darauf an, wie viel Geld ich zur Verfügung habe. Würde ich im Lotto gewinnen, kann ich mir durchaus vorstellen, mich auch mit größeren Organisationen zu beschäftigen und zu spenden. Die erste, die mir da am Herzen liegen würde, wäre Amnesty International. Die Beschneidung von Frauen oder die Verfolgung von Journalisten und die mangelnde Meinungs- und Pressefreiheit sind für mich wichtige Themen. Amnesty steht für mich für persönliche Selbstbestimmung. Etwas, was mich persönlich immer wieder berührt und angeht. Bevor ich spende, müsste ich aber erstmal anfangen, intensiv auf der Webseite zu recherchieren. Da ich derzeit das Geld nicht habe, Amnesty auch zu bedenken, wende ich die Zeit und Energie gar nicht erst auf.
Sie bekommen aber sicherlich Briefe von größeren Organisationen?
Nein. Ich habe mich schon vor 10-15 Jahren auf die Robinson-Liste eingetragen. Das funktioniert gut. Ich habe damals einfach zu viele Spendenbriefe und unerwünschte Werbung, auch von Unternehmen, erhalten. Ich wollte das alles nicht mehr haben. Auch wenn ich sie nichts aufmache, muss ich alles ja zumindest durchschauen.
Sie haben beschrieben, wie wichtig Ihnen die Arbeit von Amnesty ist. Wenn Amnesty nun die Robinson Liste ignorieren und doch einen Brief schicken würde, hätten sie eine Chance auf eine Spende?
Nein! Diese Infomail-Geschichten, die öffne ich nicht. Nicht mal von Amnesty. Das ist auch nicht nötig. Ich bekomme ja durch die Medien mit, was die machen. Ich weiß, wofür die stehen. Wenn ich mich irgendwann mal engagieren will, dann werde ICH aktiv und trete an die heran. Aber für diese allgemeinen Bettelbriefe habe ich gar keine die Zeit. Und ich will mir die auch gar nicht nehmen. Ich weiß ja, dass ich nicht spenden will.
Sie haben nichts gegen die Organisationen, nur gegen die Briefe?
Ja. Und genauso würde ich eine Mail wegklicken. Die erreichen mich über diese Form von Werbung nicht. Sie erreichen mich über die Medien, über ihre Inhalte. Dieses blinde Anschreiben, das geht bei mir gar nicht.
Also, Sie haben noch nie auf Spendenbrief reagiert?
Doch, wenn zum Beispiel die Gemeinde mal geschrieben hat, weil etwas neu gebaut oder repariert werden musste. Aber nicht auf Werbung.
Liebe Gabriele, vielen Dank für diese Einblicke und ich drücke – im Namen vieler Organisationen – die Daumen für den Lottogewinn!
GOLDWIND analysiert:
Gabriele ist Selbstbestimmung sehr wichtig. Das gilt nicht nur für Amnesty International, sondern auch für ihr eigenes Spendenverhalten. Sie entscheidet, wann und wie sie sich informiert, wann sie spendet und wie sie dann (aktiv) vorgeht. In ihrer „Radikalität“, in der sie Spendenbriefe ablehnt, zeigt Gabriele eine ähnliche Form von >> Reaktanz wie Julia aus dem letzten Spenderinterview. Auch bei Gabriele führen „Bettelbriefe“ zu einem gefühlten(!) Verlust von Entscheidungskontrolle. Statt – wie Julia – die Organisationen abzuwerten, wertet sie die Kommunikationsform ab.
Bei Gabriele zeigt sich viel Typisches der Babyboomer Generation:
Lesetipp: Das Fundraiser Magazin widmet sich in der Ausgabe 1/2019 ausführlich den Babyboomern. Den dort enthaltenen GOLDWIND-Beitrag Vom Cehorsam zum Anspruch. Babyboomer wollen gesehen werden können Sie >> hier herunterladen.
* Das Interview stammt aus dem Jahr 2019. Gabriele gehört zu den Babyboomern.
In der Reihe GOLDWIND fragt – Spender antworten kommen Spender selbst zu Wort, um ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die Auswahl der Interviewpartner erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Namen von Organisationen werden weitestgehend neutralisiert, da Spenderaussagen hier nur Einzelmeinungen in Bezug auf die genannten Organisationen darstellen können. Das Augenmerk wird auf das grundsätzliche Spenderempfinden gerichtet.