Den Wert Ihrer Spender:innen können Sie schnell ermitteln: Den beziffert die Jahresspendeneinnahme. Aber wie sehr schätzen Sie nicht nur den monetären Wert, sondern Ihre Spender:innen selbst?
Lesen Sie, was Wertschätzung ausmacht und wie sie im Fundraising gelingen kann.
Wertschätzung im psychologischen Sinne ist keine aktive Handlung, sondern eine zeitlich stabile, positive Grundhaltung gegenüber anderen Menschen. Wertschätzung ist also keine Antwort auf das Tun, Denken oder die Leistung einer anderen Person, sondern bezieht sich auf die Person als Ganzes – unabhängig von ihrem Verhalten.
In der Psychotherapie nach Carl Rogers ist die bedingungs- und vorbehaltslose positive Wertschätzung eines Klienten der Grundpfeiler des therapeutischen Erfolgs. Rogers trennt dabei klar das Verhalten eines Menschen von seinem Wert. So ist es möglich, dem Menschen aufrichtig, respektvoll und wertschätzend zu begegnen und gleichzeitig Verhaltensweisen und/oder Denkmuster zu kritisieren. Wertschätzung im Alltag bedeutet, den Wert von Menschen zu schätzen auch wenn sie uns nichts im Gegenzug dafür geben, eine abweichende Meinung vertreten oder fragwürdiges Verhalten an den Tag legen. Im Extremfall gesprochen: Ich kann einen Mord verurteilen und hoch bestrafen, behandele den Menschen, der die Tat begangen hat, aber weiter mit Respekt und achte seine Würde.
Nun sind die Taten, die Spender:innen begehen, deutlicher positiver, denn sie überweisen Geld für die gute Sache. Dennoch lohnt es sich, auch in diesem Kontext genauer auf die Wertschätzung zu schauen. Denn diese wird allzu oft nur gestreift.
Für das Spendenverhalten zollen wir den Spender:innen Anerkennung, indem wir ihnen für die Spende danken. Anerkennung lässt sich unterteilen in Lob und Wertschätzung. Lob bezieht sich immer auf ein konkretes Verhalten, meist enthält es eine „Leistungskomponente“, und es erfolgt zeitnah. Auf eine Spende von 50 Euro folgt der Dank für diese konkrete Spende mit dem Hinweis, was damit nun erreicht werden kann. Darin ist ein indirektes Lob versteckt („Das hast du gut gemacht, denn jetzt ist folgendes Projekt möglich“).
Wertschätzung bezieht sich dagegen auf den Menschen selbst, über die Tat hinaus. Es reicht also nicht, für die 50 Euro zu danken. Vielmehr gilt es auszudrücken, was man an dem Menschen wertschätzt, der die Spende getätigt hat („die Spende zeugt von Ihrer Großzügigkeit“, „Danke für Ihre Selbstlosigkeit“, „die Spende beeindruckt uns, weil wir wissen, dass Sie gerade schwere Zeiten durchmachen“). Wertschätzung ist nicht so objektiv wie das leistungsbezogene Lob und enthält daher auch eine Selbstoffenbarungskomponente. Wer wertschätzt, verrät auch etwas über sich selbst: Was finde ich an der spendenden Person besonders? Wie interpretiere ich ihr Verhalten? Welche Gefühle löst es in mir aus? Deswegen findet Wertschätzung mehr auf Augenhöhe statt (ich sage dir, was ich an dir gut finde) als ein eher hierarchisch angelegtes Lob (ich urteile über die Leistung, weil ich in der Position bin, das einzuschätzen >> z.B. Eltern, Lehrer:innen, Vorgesetzte).
Da sich Wertschätzung auf die Wesenszüge von Personen bezieht und nicht zwingend an Verhalten gekoppelt ist, kann – und darf – Wertschätzung auch „unvermittelt“ erfolgen. Zum Beispiel, indem Sie langjähren Spender:innen zeitlich unabhängig von der Spende für ihre Treue und Ausdauer danken.
Wertschätzung zeigt sich aber auch in allen weiteren Formen des Respektes und der Menschenzugewandtheit, wie Interesse, Achtsamkeit und Freundlichkeit:
Schätze ich auch kleine Spenden oder fängt Wertschätzung erst ab einer gewissen Spendenhöhe an? (>> bedingungslose Wertschätzung)
Interessiere ich mich für den Menschen hinter der Spende, für seine Wünsche und individuellen Bedürfnisse? (Wenn ja, wie offensiv finde ich die heraus? >> Frage ich aktiv danach?)
Wie gehe ich mit kritischen Rückmeldung von Spender:innen um?
Wie gehe ich mit Anfragen von Menschen um, die (noch) nicht gespendet haben? Wie viel Zeit schenke ich ihnen und ihren Gedanken?
Suche ich „einfach mal so“ Kontakt zu den Spender:innen oder melde ich mich nur, wenn ich Geld benötige?
Gebe ich Spender:innen die Möglichkeit, sich einzubringen?
…
Prüfen Sie Ihre Fundraisingaktivitäten, Ihren Dank und Spenderservice und fragen Sie sich: Wertschätzen wir schon oder loben wir noch?
Anders ausgedrückt: Steht für Sie der Mensch im Mittelpunkt oder dessen Portemonnaie?
Wenn Sie noch etwas über W wie Wo fängt Ihre Wertschätzung an?, Warum Männer und Frauen nicht dasselbe sein sollten oder Weg mit der „Planungssicherheit“! lesen möchten, finden Sie auch außerhalb des Glossars dazu Informationen.