Storytelling ist das A und O im Fundraising. Das größte Problem für viele Fundraiser:innen: Wie komme ich an gute Geschichten? Das ist in der Tat nicht immer einfach. Doch was viele übersehen: Wenn sie einmal eine gute Geschichte haben, dann haben sie gleich ganz viele. Geschichten lassen sich vielfältig variieren, ohne dass es langweilig wird.
In Irland weiß jedes Kind: Am Ende des Regenbogens liegt ein Schatz voll Gold. Wo genau, das weiß nur der Naturgeist, der ihn versteckt hat. Das Geheimnis verrät er nur, wenn man ihn zu fassen kriegt. Man muss gut auf der Hut sein und ihn im richtigen Moment an der Schulter packen. So ähnlich ist es auch mit Fundraisinggeschichten. Sie fallen einem meist nicht einfach so vor die Füße. Man muss mühselig bis ans Ende des Regenbogens zu laufen, d.h. Fachreferentinnen kontaktieren, Projektverantwortliche interviewen und Spendenempfänger um einen Erlebnisbericht bitten. Wie schade, wenn Sie sich – einmal am Ende des Regenbogens angekommen – nur ein Goldstück aus dem Schatz nehmen. Tragen Sie lieber alle Goldbarren nach Hause!
Warum erzählen wir im Fundraising Geschichten? Wir möchten, dass die Spender besser nachempfinden und verstehen können, worum es in unserer Arbeit geht und was die Spende bewirkt. Anhand von Einzelfällen und Geschichten wird es anschaulicher, emotionaler und die Spenderinnen erhalten die Möglichkeit sich mit den Protagonistinnen zu identifizieren. Das erhöht die Wirkung. Der häufige Trugschluss: Ein Fall lässt nur eine Erzählweise zu. Dabei gibt es in jeder Geschichte mehrere Personen. Sie alle haben unterschiedliche Perspektiven auf das Geschehen. Und diese Perspektiven müssen nicht in einer Geschichte „verbraten“ werden. Teilen Sie sie auf.
Nehmen wir zum Beispiel an, Ihnen wurde der Fall eines krebskranken Kindes berichtet, dass nun geheilt wurde. Sie haben gut recherchiert und hatten die Möglichkeit mit allen Beteiligten zu sprechen bzw. Ihnen wurde über alle etwas erzählt. Fatal wäre es, all diese Informationen in einer Geschichte unterzubringen oder sich auf nur einen Aspekt zu beschränken und dann den Fall als „hatten wir ja schon“ abzulegen. Wenn Sie schon so akribisch waren, nutzen Sie den ganzen Input, um diese Episode für mehrere Mailings, Folder, Dankriefe, Insta-Stories etc. zu variieren. (Und keine Angst: Außer Ihnen wird das niemanden auffallen, weil die Leute nicht so tief drinstecken und sich nicht erinnern, dass es nur eine Variante einer früheren Geschichte ist.)
In jedem Mailing entscheiden Sie sich für eine andere Hauptperson und deren Perspektive:
Sie können außerdem den Zeitpunkt variieren, zu dem die Geschichte (hauptsächlich) stattfindet:
Die wirkungsvollste Variation, die Sie im Storytelling haben, ist die emotionale Ausrichtung. Sie können eine Geschichte entweder vom Problem oder von der Lösung her erzählen. Im Fundraising bedeutet das: Sie berichten vom Leid der Protagonisten oder von deren Freude, Erleichterung und Dankbarkeit. Letztere sind Ausdruck der Spendenwirkung.
In diesem fiktiven Beispielfall haben wir schon 48 Möglichkeiten, die Geschichte zu erzählen. Sicher ist nicht jede gleich stark, nicht für jede Zielgruppe (Stichwort: Identifikation) und nicht für jedes Einsatzgebiet brauchbar (ein negativer Fokus hat nichts in einem Dankbrief zu suchen). Aber Sie könnten viele Texte mit diesem einen Fall füllen, ohne sich konkret zu wiederholen.
Wenn Sie sich also zum Ende des Regenbogens aufgemacht haben und den ganzen Schatz heben wollen, stellen Sie sich im Vorfeld und dann Ihrem Gegenüber die richtigen Fragen: Wie viele Personen hatten Kontakt mit dem Kind (oder sonstigem Betroffenen, Tier, Ort, spezieller Problematik …)? Wer waren die wichtigsten Personen? Was haben diese Personen erlebt? Wie war es vor, während, nach der Maßnahme, die durch Spenden finanziert werden soll? Was haben die Personen jeweils gefühlt: Wovor hatten sie am meisten Sorge? Was haben sie befürchtet? Was hat sie am meisten gefreut? Was überrascht? Wofür sind sie besonders dankbar?
Ja, das ist mühselig, ich weiß. Und manchmal sind mehrere Anläufe nötig. Vor allem, wenn Sie nicht direkt mit den Beteiligten sprechen können. Aber die Arbeit lohnt sich! Der größte Fehler ist, es sich (vermeintlich) leicht zu machen und nur die Fakten eines Falles abzufragen (Diagnose, Name und Alter des Kindes, Dauer der Behandlung, Anzahl der verbrauchten Medikamente etc.). Zu oft wird sich darauf beschränkt. Das ergibt aber nur eine Geschichte – und nicht mal eine gute. Und dann stehen Sie beim nächsten Mailing (oder schon beim Dankbrief) wieder vor derselben Frage: Was kann ich nur erzählen?