Weihnachtsmailingzeit ist Incentivezeit. Viele Organisationen legen dem November-/Dezembermailing ein kleines Geschenk bei. Dadurch sollen zum einen die Einnahmen des wichtigsten Mailings des Jahres sichergestellt werden, zum anderen möchten sie sich gegen die Vielzahl an parallel verschickten Spendenbriefen durchsetzen. Letzteres gilt besonders bei Neuspendermailings. Aber Vorsicht: Die Art des Incentives bestimmt die Wirkung, die das eigentliche Mailing erzielt, entscheidend mit!
Incentive ist englisch für „Anreiz“. Kleine, dem Spendenaufruf beigefügte Geschenke, wie Postkarten oder CDs, sollen einen Anreiz geben, eine Spende zu tätigen. Es geht nicht darum, bereits gezeigtes Verhalten (=Spenden) zu belohnen, wie es bei Treuegeschenken der Fall ist.
Für die Wirkung von Incentives ist es wichtig zu unterscheiden, ob die Beigaben reine Geschenke sind, die die Spender*innen in ihrem Alltag nutzen können (Adressaufkleber, Windlichter etc.) oder ob die Beilagen inhaltlichen Bezug auf das Mailing nehmen (z.B. Samentütchen beim Naturschutz).
Reziprozität – wenn’s schnell gehen soll
Die Reziprozitätsregel besagt, dass Menschen sich verpflichtet fühlen, sich für erhaltene Geschenke zu revanchieren. Diese soziale Norm ist so stark, dass sie für materielle und immaterielle sowie für erbetene und unerbetene sowie für nützliche wie unnütze Geschenke gilt. Sie erklärt, warum die Responsequoten bei Spendenaufrufen mit Incentives höher ausfallen. Mehr Geschenke bringen mehr Response (1 Postkarte vs. 4 Postkarten)(1), teurere Geschenke eine höhere Durchschnittsspende (CD vs. Adressaufkleber).
>> Wenn ein Incentive einen Geschenkcharakter hat, also in Bezug auf die Botschaft neutral ist (s. im Gegenteil dazu die weiter unten beschriebene Studie), fungiert es aufgrund der sozialen Norm als Verhaltensverstärker. Die Spendenquote steigt.
Nachteile: Fällt das Geschenk im nächsten Mailing weg, fallen auch die Spender*innen weg, die nur auf das Geschenk reagiert haben(2). Übrig bleiben die, die auch ohne Geschenk gespendet hätten. Das Incentive hat einen entsprechend kurzfristigen Effekt. Außerdem bleiben diejenigen verärgert zurück, die nicht gespendet haben. Dies äußert sich vordergründig in Aussagen wie „was für eine Geldverschwendung für so unnützes Zeugs“. Es schwingt jedoch der innere Unmut mit, gegen die soziale Norm verstoßen zu haben.
Incentives, um „gute“ Spender zu selektieren
Incentives können Spendenverhalten auch absenken. Das kann sogar sinnvoll sein, um Spender*innen zu identifizieren, die sich langfristig lohnen (Spenderbindung!).
Forscher einer Studie(3), die die Effekte von Incentives außerhalb der Reziprozitätsnorm untersuchten, nutzten zwei Adresslisten: 1. aktive Naturschutzspender*innen und 2. aktive Gesundheitsspender*innen. Beide Listen wurden mit einem Spendenaufruf zum Naturschutz angeschrieben. Jeweils die Hälfte der Mailings enthielt einen Fensteraufkleber mit der Aufschrift „Schütze Buffalos“.
Ergebnisse
1. Die Naturschutzspender*innen reagierten ohne Incentive besser als die Gesundheitsspender*innen. Sie bewiesen eine höhere Affinität zum Thema.
>> Learning: Eine gute Adressselektion ist der erste Erfolgsgarant.
2. Die Naturschutzspender*innen mit Aufkleber spendeten mehr als die Naturschutzspender*innen ohne Aufkleber.
3. Die Gesundheitsspender*innen mit Aufkleber spendeten weniger(!!) als die Gesundheitsspender*innen ohne Aufkleber.
4. Die Naturschutzspender*innen mit Aufkleber zogen ein informativeres Mailing einem mehr auf Storytelling ausgerichteten Mailing vor. Ihr Interesse war derart geweckt, dass sie nach Informationen suchten, um sie „bewusst“ zu verarbeiten. (Im Gegensatz dazu fördern „Geschenke-Incentives“ eine „leichtere und unbewusste“, bevorzugt emotionale Auseinandersetzung mit dem Mailing.)
>> Wenn Incentives die Botschaft Ihrer Organisation transportieren, wirken sie Aufmerksamkeit verstärkend. Diejenigen, die sich für Ihre Botschaft interessieren, erkennen das schneller, wenden sich Ihrer Botschaft eher zu und spenden vermehrt. Das Gegenteil tritt für diejenigen ein, die sich nicht für Ihre Botschaft interessieren. Sie wenden sich direkt ab. In dieser Gruppe verlieren Sie aufgrund des Incentives Spender. Aber das hätten Sie vermutlich beim nächsten Mailing ohnehin, selbst wenn es ein Incentive mit „Geschenkcharakter“ gewesen wäre (s. Reziprozität). Die erste Gruppe hat dagegen ein Incentive erhalten, das nicht nur eine „Höflichkeitsspende“ auslöst, sondern dessen inhaltlicher Nutzen die Bindung stärkt.
Incentive ist nicht gleich Incentive. Wie so oft, ist es wichtig zu differenzieren. Was ist das Ziel, das Sie mit dem Incentive erreichen möchten: Möchten Sie einen kurzfristigen Erfolg oder das Spenderbindungspotenzial erhöhen?
Daneben gilt es weitere Parameter zu klären:
(1) Falk, A.. (2007). Gift Exchange in the Field. Econometrica, 75:5, 1501-1511.
(2) Ebd.
(3) Diamond, W. D., Iyer, E. S. (2007). Creating Effective Direct Mail Charitable Solicitations - The Effects of Enclosures and Different Appeals. Journal of Nonprofit & Public Sector Marketing, 18:1, 81-100