Ist das nicht verrückt: Menschen vertrauen Ihnen ihr Geld an und verlassen sich quasi blind darauf, dass Sie es in ihrem Sinne einsetzen. Denn wirklich überprüfen lässt sich das in den seltensten Fällen. Gemeinsam schauen wir daher mal auf die psychologische Seite des Vertrauens. Was steckt dahinter?
Vertrauen ist im Prinzip nichts anderes als eine Risikominimierung, und zwar in Situationen, in denen Menschen Vorhersagen über zukünftiges Verhalten anderer treffen müssen. Anders ausgedrückt: Vertrauen vermittelt Sicherheit in unsicheren Situationen. Ich verdeutliche das an einem Beispiel: Stellen Sie sich vor, eine Person bittet Sie, ihr 100 Euro zu leihen. Das zukünftige Verhalten wäre die Rückgabe des geliehenen Geldes. Schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit hoch ein, das Geld zurückzubekommen, vertrauen Sie. Schätzen Sie dagegen das Risiko höher ein, das Geld nicht zurückzubekommen, dann misstrauen Sie der Person. Hundertprozentig sicher, dass das Geld den Weg zu Ihnen zurückfindet, können Sie nicht sein. Denn über das Verhalten anderer haben Sie wenig Kontrolle - daher gilt es als unsichere Situation.
Genau so verhält es sich beim Spenden. Menschen schätzen für sich das Risiko ein, ob eine NGO das ihr anvertraute Geld veruntreut oder nicht. Wie kommen sie zu dieser Einschätzung? Laienhaft gesprochen ist das reines Bauchgefühl, denn wissen können sie es auch in diesem Fall nicht. Aus psychologischer Sicht hat aber jedes „Bauchgefühl“ ein System. Letztlich speist es sich aus Hinweisreizen, die wir – meist unbewusst, enorm schnell und automatisiert – wahrnehmen und verarbeiten. Wir schließen aus verfügbaren Merkmalen auf das große Ganze (auch wenn das manchmal nicht viel miteinander zu tun hat…).
In unserem Beispiel heißt das: Wenn wir die Person, der wir die 100 Euro leihen sollen, nicht oder nur wenig kennen, „scannen“ wir das augenscheinliche und verfügbare Wissen über sie. Wie ist sie gekleidet? Wie spricht sie? Ist sie sympathisch? Welchen Beruf hat sie? Gibt es eine Person, die wir besser kennen, die uns Auskunft geben kann? Nur in seltenen Fällen, werden wir die Person auf Herz und Nieren prüfen (bei 1.000 Euro eher, bei 100 Euro eher nicht, bei 10 Euro sicher nicht), sondern auf der Basis dieser ersten Eindrücke entscheiden. Wir suchen dabei nach einem möglichst effizienten Verhältnis von Aufwand und Notwendigkeit einer fundierten Risikoeinschätzung. Im Zweifel sagen wir halt Nein.
Bevor Menschen spenden, unterziehen sie die Organisation ebenfalls solch einem Schnellcheck: Kenne ich die Organisation (zumindest dem Namen nach)? Ist ihr Auftreten professionell (Webseite, Flyer)? Ist die Person, die mich um eine Spende bittet, sympathisch? Gibt es die Organisation schon lange? Welche Erfolge verzeichnet sie? Können mir Freunde oder Bekannte Auskunft geben? Gibt es andere (prominente) Fürsprecher oder ein Gütesiegel*? Auch hier wird möglichst schnell entschieden – gibt es Zweifel, wird nicht gespendet. Durch einen Jahresbericht „kämpfen“ sich Menschen nur, wenn sie eine große Summe spenden möchten (und vielleicht nicht mal dann).
*auch das Siegel wird nur schnell gecheckt: Habe ich davon schon gehört? Hat es einen „offiziell“ klingenden Namen? Die Allerwenigstens haben sich jemals die Richtlinien des DZI-Siegels zu Gemüte geführt …
Vertrauen ist also ein mehr oder weniger begründetes, vor allem pragmatisch-effizientes Bauchgefühl, das uns eine einfache Entscheidung unter Unsicherheit ermöglicht. Diese Unsicherheit ist umso größer je unbekannter die Person/Organisation ist, der wir vertrauen sollen. Fundiertes Vertrauen entsteht erst mit der Zeit, es wächst mit der Summe an Erfahrungen, die wir mit dem Gegenüber machen. Je häufiger der Kontakt, desto vertrauter wird man miteinander.
Zurück zu unserem Beispiel: Wenn Sie die Person, die 100 Euro benötigt, seit der Kindheit kennen, brauchen Sie den Schnellcheck nicht mehr. Dann sind Kleidung und Fürsprecher egal. Stattdessen befragen Sie die Vergangenheit und schätzen daraus die Zukunft ab: Hat die Person Geliehenes bisher stets zurückgegeben? Ist sie sonst eine verlässliche Person (hält sie Termine und Zusagen ein)?
Auch das lässt sich auf Organisationen übertragen. Bei einem Upgradewunsch wird sich der/die Spender*in fragen: Wie lief der Kontakt bisher? Wurden Zusagen eingehalten? Wurde über Projekte/Erfolge ausreichend berichtet? Ist die Kommunikation konsistent und kontinuierlich? Wurde mir gedankt? Habe ich meine Spendenquittung erhalten? Wenn Spender*innen positive und verlässliche Erfahrungen mit der Organisation machen, entsteht erfahrungsbasiertes Vertrauen, das sich auf die – für Spender*innen – nicht erfahrbare Projektarbeit überträgt.
Echtes Vertrauen müssen Sie sich auf lange Sicht erarbeiten. Dafür braucht es Kontakte, Kontakte, Kontakte. Zu Beginn ist vor allem der äußere Anschein wichtig (bei dem der Jahresbericht der am seltensten genutzte Baustein ist – aber im Sinne der >> Transparenz unabdingbar). Aber Vorsicht: Sie müssen unbedingt halten, was Sie auf den ersten Blick versprechen – und zwar in jeder Hinsicht. Ein enttäuschtes Vertrauen lässt sich schwer wieder kitten. Tiefes, langfristig aufgebautes Vertrauen führt dagegen zu großer Treue und Bindung.
Wenn Sie noch etwas über V wie Vergleichende Werbung zischen NPOs, Vertrauen und Misstrauen gegenüber NGOs oder Verlässliche Spenden lesen möchten, finden Sie auch außerhalb des Glossars dazu Informationen.