„Hier Dauerspende abschließen und Sie bekommen einen Toaster!“
Was würden Sie von diesem Angebot halten? Motiviert Sie das zu spenden? Schreckt Sie das ab? Wie bewerten Sie das als professionelle Fundraiser*in? Ich denke darüber nach, seit ich so ein Angebot entdeckt habe …
Unter dem Titel „Zu jung zum Spenden?“ schrieb ich 2018 in einem Kommentar fürs Fundraiser Magazin über das Wegsterben der klassischen Spenderschaft und den notwendigen strukturellen Wandel, um jüngere Menschen zu erreichen. Ich äußerte die Befürchtung, dass es NGOs sonst so ergehen würde wie den regionalen Tageszeitungen. „Denen brechen die alten Abonnenten ebenso weg. Neulich haben sie mir 200 Euro für ein Abo geboten. Tageszeitungen haben den Kampf um die nächsten Generationen vermutlich verloren. Bei NGOs habe ich noch Hoffnung.“, schloss ich den Kommentar. Damals fragte ich mich, wann die ersten Fundraiser*innen auf die Idee kommen, 40 Euro für eine 60 Euro-Spende zu bieten. Oder ein Punkte-System für Spenden entwickeln: „Sammeln Sie pro gespendeten Euro einen Punkt. Tauschen Sie anschließend Ihre Punkte in wunderschöne Prämien ein, z.B. ein Satz Postkarten, Adressaufkleber oder eine Weihnachts-CD.“
Für Ihre regelmäßige Unterstützung bieten wir Ihnen eine Auswahl an Prämien an.
Vor einiger Zeit habe ich nun so ein Angebot entdeckt. Eine Organisation bietet im Spendenformular für den Abschluss einer Dauerspende Prämien an (in der Spendenmail heißen sie „Willkommensgeschenke“). Man kann zwischen zwei DVDs, einer Thermosflasche und einem Bienen-Paket wählen. Seitdem grübele ich, wie ich das bewerten soll, als Mensch, als Spenderin, als Psychologin.
Mein spontaner Gedanke: das ist unmoralisch. Eine Spende erkauft man sich nicht. Schon gar nicht so offensichtlich. Wie ist die Organisation darauf gekommen, diese Grenze zu überschreiten? Gerne hätte ich die interne Diskussion dazu verfolgt (wenn es sie gegeben hat). Schnell komme ich drauf, dass es letztlich nicht viel anderes ist als Incentives, die Spendenmailings beigelegt werden. Die sehe ich bekanntermaßen auch kritisch, weil sie eine freie Spende erschweren. Ist das nun die nächste Stufe?
Ich denke weiter nach: Vielleicht ist gar nicht schlimmer, sondern nur ein anderer Weg… Einem Onlinemailing kann man schwer Adressaufkleber, CDs etc. beilegen. Incentive heißt Anreiz. Die Prämien sind erstmal nur „virtuelle Vorschauen“ auf das, was man bekommen kann. Der Anreiz zum Spenden wird gegeben, aber er wird erst dann real, wenn tatsächlich gespendet wird. Mich überzeugt der Gedanke, dass nur Artikel versandt werden, wenn tatsächlich gespendet wird. Es wandern nicht 90% der Incentives ungenutzt in den Müll wie bei postalischen Mailings. Kein Spender muss sich darüber ärgern. Weder über die Verschwendung, noch über sich selbst, wenn er trotz des ungefragt erhaltenen Geschenks nicht spendet und somit eine kulturelle Norm bricht.
Chancen…
Da passgenau versendet wird, sind höherwertige Artikel möglich. Sie müssen auch nicht zwingend „Umschlaggröße“ haben. Ggf. können sie von Unternehmen kostenlos bereitgestellt werden. Gut gewählte Prämien können die Organisationszwecke verstärken (statt allgemeingültiger Adressaufkleber, Weihnachts-CD etc.). Die Spender können auswählen, d.h. sie bekommen etwas, was ihnen wirklich gefällt. Besonders hat mir gefallen, dass es auch die Möglichkeit gibt, auf die Prämie zu verzichten. Somit kann ein Spender auch „frei“ spenden. Das (nette) Angebot hat er dennoch wahrgenommen.
Entscheidend wäre für mich noch der Zeitpunkt, an dem die Spender*innen von den Prämien erfahren. Wird offensiv damit geworben und zwar in Verbindung mit dem Spendenaufruf? Oder tauchen sie erst im Spendenformular auf? Dann wären sie eher ein letzter Spendenverstärker für Leute, die sich ohnehin schon (fast) entschieden haben und erhöhen vielleicht die Spendensumme. Wenn dagegen offensiv damit geworben wird, sehe ich die Gefahr, dass – ähnlich wie mit Mailingbeigaben – Spenden generiert werden, die aber zukünftig ohne Verstärker schwer zu widerholen sind. Es fehlt die echte Bindung an die Sache und die Organisation. Ich kenne einige Organisationen, die sehr schwer aus der Incentivespirale wieder rausfinden.
…Risiken
Und noch etwas sehe ich kritisch: Wo immer es „Neukundenprämien“ gibt, fühlen sich die Bestandskunden irgendwann zurückgesetzt. Sie halten einer Zeitung oder Unternehmen jahrelang die Treue und bekommen nichts (im schlimmsten Fall nur eine Preiserhöhung). Sie schauen neidisch auf Neukundengeschenke und wechseln ggf. den Anbieter, um auch in den Genuss derselben zu kommen. Wollen wir diese „Zweiklassengesellschaft“ auch im Fundraising?
Ganz besonders graut mir vor dem Gedanken, dass Organisationen irgendwann um die besten Prämien wetteifern, um sich die Spender, die immer selektiver werden, gegenseitig abzujagen.
Die allesentscheidende Frage lautet für mich aber: Was macht dieses Angebot für einen Eindruck auf die Spender*innen? Freuen sie sich über die Prämien? Bewerten sie diese – und somit auch die NGO – positiv? Kann man damit neue Zielgruppen erschließen? Jüngere Spender kennen ähnliche Konzepte ja auch aus Crowdfundingaktionen. Da ist es normal, dass es für die Spende eine Gegenleistung gibt, die mit Höhe der Spende variiert. Oder verschenkt man damit Vertrauen, weil sich Menschen nicht kaufen lassen wollen? Zerstört es gar das Vertrauen in die Organisation oder lässt an ihrer Seriosität zweifeln?
Ob es mehr Spenden bringt, weiß wohl nur die NGO, die es ausprobiert. Ich vermute, dass es durchaus die ein oder andere Dauerspende zusätzlich einbringt. Wie der Eindruck auf diejenigen ist, die nicht spenden, weiß die Organisation vermutlich nicht. Ähnlich wie bei Incentives wird dieser Aspekt gerne ignoriert. Dies sollte bei der Umsetzung zwingend vorab in einer Spenderstudie erforscht werden, um nicht mehr Schaden als Nutzen zu provozieren.
Ich bin gespannt auf Ihre Meinung: Schreiben Sie mir, was Sie davon halten.
Sie möchten die Idee weiterverfolgen? Gerne durchdenke ich mit Ihnen Vor- und Nachteile aus Spendersicht.